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A$AP Rocky - Praise The Lord (Da Shine)
feat. Skepta

2019 war ASAP Rocky nicht mehr der junge Star, der er unter der Formation ASAP Mob zu Beginn seiner Karriere gewesen war. Dabei stieß Rocky erst später als viele andere Mitglieder zur ASAP-Familie hinzu, wurde jedoch nach dem Soloerfolg zusammen mit ASAP Ferg zum Aushängeschild der Gruppe. Nach dem ersten Hit „Fuckin‘ Problems“ wurde er als Solokünstler wahrgenommen. Nicht zuletzt machte er auch Schlagzeilen, als seine Beziehung zu Rihanna bekannt wurde. Obwohl ihn die großen Preise wie die Grammys oder Billboard-Charts bislang verwehrt blieben, ist er besonders in jüngeren Generationen einer der beliebtesten Künstler. Auch junge deutschsprachige Künstler*innen nehmen sich ASAP Rocky als Vorbild für ihren eigenen Stil. Praise the Lord ist momentan in Spotify sein Song mit den meisten Klickzahlen.

 

Stil

Der Song kann gleichzeitig dem Trap, Mumble wie auch Grime zugeordnet werden. ASAP Mob war zu Beginn vom Stil der Diplomats (Dipset-Stil) inspiriert und mischte dann den erfolgreichen Trap-Stil aus den Südstaaten hinzu, um so einen einzigartigen Sound zu erzeugen. Der tiefe Bass und der Rapstil (viele Pausen, Wortwiederholungen und zusammenhangloser Inhalt zugunsten des Rap-Klanges) sind Eigenschaften dieses „Dirty South“ Stiles. Skepta wiederum, ein britischer Grime-Produzent, hat zu dem Zeitpunkt bereits mehrmals mit Rocky zusammengearbeitet. Die hohe BpM-Zahl von 160 im Song ist deutlich schneller als im gewöhnlichen amerikanischen Trap. Die Mischung jener unterschiedlichen Stile macht den Song zu einem der beliebtesten Songs der ASAP-Gruppe.

 

Sample

Flötensamples erfreuen sich neuerdings immer größerer Beliebtheit. Auch große Hits wie Portland (Drake) und Mask Off (Future) enthalten Flötensounds. Während der hohe Frequenzbereich von der Flöte abgedeckt wird und der tiefe von den Bässen, kann die Sprechlage für den Rap freibleiben. Ähnlich ist es auch in Praise the Lord.

Wo Skepta das Sample gefunden hat, ist verblüffend: Im Programm Garage Band wurde 2006 für Interessierte ein zusätzliches Soundpaket mit „World Music“ verkauft. Eine kurze Demo-Aufnahme mit dem „Andean Stroll Panpipe 02“-Klang – also gar keine richtige Komposition – ist die Grundlage für den Beat. https://www.youtube.com/watch?v=kZEx3itXs4k

Wahrscheinlich aus Demonstrationszwecken beginnt das Sample in einer recht hohen Lage für die Panflöte und fällt schließlich in die tiefsten Regionen. Während die höheren Töne klar artikuliert sind, wird der tiefe Klang zunehmend hauchig und geräuschhaft. Die vier Takte haben einen Vordersatz und einen rhythmisch identischen Nachsatz. Hört man genau hin, fällt auf, dass Skepta die ersten Takte in den Flöten von links nach rechts wandern lässt und anschließend wieder umgekehrt – quasi als Frage und Antwort (https://www.youtube.com/watch?v=3iu8lTiFwFQ ab 2:23). Das Sample besteht zudem aus lauter auf- und volltaktigen Zweier-Gruppierungen, die auch im Rap auftauchen.

Praise the Lord Flöten.tif

Phrasenlängen

Eines der beeindruckendsten Entwicklungen im Trap ist der bewusste Umgang mit Pausen. Durch bewusste Zäsuren im Rap werden die Phrasen sehr klar voneinander abgetrennt.

Grund für diese Entwicklung ist höchstwahrscheinlich das Medium, über das die neuesten Songs verbreitet werden. Bis noch vor wenigen Jahren waren Künstler*innen auf die 74 Minuten einer CD beschränkt, die auf ein Album passen. Das Pressen, Herausgeben und Vermarkten war damals finanziell deutlich aufwändiger als das einfache Hochladen eines Songs. Das Anliegen der älteren Boom-Bap-Periode war ein expressives Ausbrechen aus den üblichen Werkgenres und letztlich auch aus den gesellschaftlichen Strukturen, weshalb mit einer überwältigenden Deutlichkeit auf Pausen und Textwiederholungen verzichtet wurde und die Hörer*innen förmlich mit Inhalten überladen wurden (in der Tradition steht beispielsweise auch Eminem – Lose yourself). Um dennoch Struktur zu erzeugen, wurden Reimketten, Binnenreime und komplexe Schemata gebildet.

Ganz anders verhält es sich jedoch in der neuen Streaming-Generation. Hier kann sehr verschwenderisch mit der Zeit umgegangen werden, weshalb Pausen im Rap eine große Rolle spielen. Das undeutliche „Mumblen“ führt zusätzlich dazu, dass sich beinahe jedes Wort auf jedes andere Wort reimt, wenn man entsprechend undeutlich spricht. Der Inhalt ist nicht so wesentlich wie der Klang der Wörter.

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ASAP Rocky bedient sich beider Stile. Zu Beginn der ersten Strophe sind alle Zeilenanfänge längere Pausen. Zudem gibt es keine eindeutigen Reime am Ende („know the number“, „bone and muscle“, „hurting nothing“ und „worry none“). Die Phrasenlängen variieren enorm zwischen 16 Silben (T. 9-11 mit Auftakt) und zwei Silben („rain dance“).

Die zweite Strophenhälfte besteht aus dem Kontrast zwischen dem Rap aus der alten Schule (T. 17-28) und dem trap-artigen Ende, welches wiederum rhythmisch und reimtechnisch der Übergang zum Chorus ist. „kay let’s rock and roll this“ ist das Stichwort für eine längere Flowpassage, in der ein Doppelreim auftaucht. Hier zeigt sich, dass ASAP Rocky sowohl den neueren Trap-Stil, als auch den älteren Flow beherrscht.

 

Hook

Der auftaktige Rhythmus, welcher im Flötensample vorhanden ist, wird im Text der Hook durchgehend wiederholt. Dadurch entsteht mal ein homophones Zusammenspiel zwischen Rap und Instrument und mal ein Verschieben der rhythmischen Komponenten.

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Die Hookline beginnt und endet als Rahmen mit einer Textwiederholung („I came, I saw“ und „it rains, it pours“). Diese Symmetrie wirkt durch die geordneten Reimstrukturen noch regelmäßiger. Selbst das „mine“ wirkt durch seine Irregularität innerhalb des Ganzen einheitsstiftend. Würde man beispielsweise anstatt „I take what’s mine” „I take from y’all” rappen, was der Reimstruktur mehr entsprechen würde, entstünde eine ungewollte Dogmatik in der Struktur und ein fehlender Farbenreichtum im Sprachklang.

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Fazit

Heutige Rap-Musiker*innen können sich aus einem breiten Pool an Stilen bedienen. Rocky und Skepta haben nicht nur das Know-How, sondern auch die Fähigkeit, diese gezielt einzusetzen und trotzdem eine Einheitlichkeit zu erzeugen. Während Stile und Techniken lange Jahre ortsabhängig gepflegt wurden, beschäftigen sich nun die Musiker*innen der neueren Generation mit der kunstvollen Verknüpfung jener verschiedenen Lokaleigenschaften. Vergleichbar ist diese Phase des HipHops mit der des Spätbarocks. J. S. Bach und G. F. Händel beispielsweise haben die damals verschiedenen Stile (italienisch, französisch, nord- und süddeutsch, polnisch, englisch etc.) studiert und anschließend in ihr eigenes Schaffen integriert. Trotz aller Auseinandersetzungen, Streitereien und Dissenzen, die im HipHop unweigerlich immer eine große Rolle spielen, wird die Tradition durch die Würdigung und Weiterentwicklung alter Stile noch immer fortgeführt.

Dieser Text ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

2024 Daniel Hikaru Grote

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